Mit der vollen Unterstützung ihrer Eltern, die Trainer für sie engagierten, als das Kind sechs Jahre alt war, übte sie regelmäßig auf einem Golfplatz in der Gegend von Linkou. Mit 12 war Yani Tseng bereits eine eindrucksvolle Golfspielerin, hatte sich aber noch nicht für Taiwans Nationalmannschaft für die Asienspiele 2002 in Busan (Südkorea) qualifiziert. Das Team bereitete sich im Sunrise Golf and Country Club in Yangmei (Landkreis Taoyuan), den der Golfverband der Republik China als nationales Golf-Trainungszentrum auserkoren hatte, auf die Spiele vor, und man erlaubte Tseng, mit den Nationalspielern zu trainieren, weil Hsu Tien-ya, Präsident des Sunrise-Konzerns, dem der Klub gehört, ihr Potenzial erkannte, eine gute Golfspielerin zu werden.
„Sie war nicht so wie die anderen Nachwuchsspieler“, beschreibt Melanie Huang, die geschäftsführende Direktorin des Klubs, die Zeit zwischen 2001 und 2006, als Tseng dort trainierte. „Sie konnte sehr rebellisch und starrköpfig sein. Wenn sie schlechte Laune hatte, gab sie einfach Widerworte und zog ein langes Gesicht. Andererseits wusste sie, was sie wollte. Sowohl sie selbst als auch ihr Vater hatten sich früh das Ziel gesteckt, dass sie Profi werden und an Turnieren in den USA teilnehmen sollte.“ Tseng trainierte bei Sunrise bis zu den Asienspielen in Doha 2006, bei denen sie im Dameneinzel auf Rang vier kam. Sie war überdies Mitglied in der Damenmannschaft, die bei den Spielen die Bronzemedaille gewann.
Noch bevor Yani Tseng am 1. Januar 2007 Golfprofi wurde, hatte sie die Aufmerksamkeit der Golfwelt auf sich gelenkt, indem sie bei wichtigen Amateurwettkämpfen in den USA siegte, dem Land, das die Entwicklung des Sports dominiert. Zu ihren Erfolgen zählen der US Women’s Public Links Championship 2004, organisiert vom Golfverband der Vereinigten Staaten und eines der drei wichtigsten Amateurturniere weltweit, bei dem Tseng sich einen Namen machte, als sie Michelle Wie ausschaltete, eine koreanisch-amerikanische Spielerin, die allgemein als Star der Zukunft angesehen wurde.
Tseng hat ihre Bilanz nun auch um mehrere Profititel bereichert, angefangen mit der Women’s Indian Open 2007, nur drei Monate nach Beginn ihrer Profikarriere. Im September 2008 wurde sie vom Rat für Sportangelegenheiten der Republik China (Sports Affairs Council, SAC) zur Sportlerin des Jahres gekürt.
Ihr Sieg im Juni 2008 beim McDonald’s LPGA Championship war das erste Mal, dass eine ethnische Chinesin ein wichtiges LPGA-Turnier („Major“) gewann. Seitdem hat sie die drei anderen LPGA-Majors ins Visier genommen: Kraft Nabisco Championship, US Women’s Open und Ricoh British Open.
„Ich will die erste ethnische Chinesin sein, die alle vier LPGA-Majors gewinnt, und die erste ethnische Chinesin, welche in die Ruhmeshalle des Golfsports (,World Golf Hall of Fame‘) aufgenommen wird“, verkündete Tseng Anfang 2008 selbstbewusst in einem Interview mit der Zeitschrift Golf Digest. Bis jetzt haben nur vier Spielerinnen weltweit alle LPGA-Majors gewonnen, niemand innerhalb eines Jahres. Tseng hat aber schon in jungem Alter großes Potenzial an den Tag gelegt, und was noch wichtiger ist, sie ist entschlossen und ehrgeizig, was sich als entscheidend dabei erweisen könnte, diese Träume zu verwirklichen.
(Deutsch von Tilman Aretz)